zur Erinnerung
30 Jahre Deutsche Einheit, Zeit für eine Zwischenbilanz

Nachgefragt

So sehe ich das!

Heute antwortet: Petra Enters, 61, aus Gera Zog Sohn alleine groß. Seit 18 Jahren verheiratet.

Welche Begriffe verbinden Sie mit der DDR?
Heimat, sichere Arbeitsplätze, ruhiges Leben, Zusammenhalt. Es war nicht alles schlecht.

Was hat Ihr Leben bis 1989 geprägt?
Mir ging es gut, mein soziales Umfeld war ausgezeichnet. 1983 ist mein Sohn Daniel geboren. Er hat eine Behinderung, aber ich bekam viel Unterstützung.
Es gab den Haushaltstag, wir hatten Urlaub und Betriebsfeiern. Es war schön. Das hat mich geprägt. Mir hat nichts gefehlt.

Wie verbrachten Sie Ihre Freizeit?
Ich war gern unterwegs, bin durch die Stadt gebummelt, durch die Kaufhäuser gegangen, hab Veranstaltungen besucht, z. B. das Dahlienfest.

Welchen Beruf haben Sie gelernt?
Teilfacharbeiter für alkoholfreie Getränke, gelernt im Getränkewerk in Salzwedel. 1984 zog ich nach Gera, habe bei Carl Zeiss als Aufstecker gearbeitet, Teile zusammengefügt. Ab 1986 war ich Verpackerin beim VEB Gewürze Gera.

Wovon träumten Sie?
Von einem Farbfernseher, aber die waren teuer. Wir haben nicht so viel verdient, ich war allein. Ich hätte gern auch eine Schrankwand gehabt, konnte sie mir aber erst nach der Wende leisten.

Wo waren Sie, als Sie vom Mauerfall erfuhren?
Da war ich zu Hause. Ich weiß aber nicht mehr, ob ich schon geschlafen habe. Die anderen Tage habe ich immer mal Fernsehen geschaut.

Was haben Sie vom Begrüßungsgeld gekauft?
Eine kleine Kosmetik vielleicht, Zeitungen, die waren so bunt. Genau weiß ich es nicht.

Welche Meinung hatten Sie zur Wiedervereinigung? Und welche haben Sie heute?
Zum Teil war es gut, zum Teil nicht. So wie es war, konnte es nicht weitergehen. Als die Wende kam, wusste ich nicht richtig, ob alles stimmt, was los war.
Es war nicht einfach. Ich habe von Politik keine Ahnung. Die Wende hätte langsamer gehen müssen. Man hätte was Gutes mitnehmen müssen. Heute kriegt man schlecht Arbeit, wenn man alleinstehend ist, auch keinen Kredit. Das war eine gute Sache in der DDR.
Für Alleinstehende war in der DDR besser gesorgt, etwa durch Kindergärten. Man hat uns und den Betrieben keine Chance gegeben. Aber jetzt ist auch nicht alles schlecht, überhaupt nicht.

Wie ging es nach 1990 beruflich für Sie weiter?
Beim VEB Gewürze wurde ich entlassen, hab dann als Reinigungskraft in einer Schule gearbeitet. Das war gut, aber der Lohn immer niedrig.
Später bekam ich einen 1-Euro-Job, der hat auch Spaß gemacht, was mit Handarbeit. Mit Mitte 50 musste ich wegen meiner Gesundheit aufhören.

Was ist in den zurückliegenden 30 Jahren aus Ihrer Sicht gut, was schlecht gelaufen?
Hartz IV finde ich überhaupt nicht gut, weil es zu wenig ist, das Kindergeld angerechnet wird. Nicht schlecht ist, dass Miete gezahlt wird. Gut finde ich, dass es viel zu kaufen gibt, was wir damals nicht hatten.

Wen (oder was) hätten Sie ohne Wende nicht kennengelernt?
Meine leibliche Mutter. Sie hatte mich beim Vater zurückgelassen, ich kam in ein Heim, zu einer Pflegefamilie. Nach der Wende habe ich alle Hebel in Bewegung gesetzt. Durch meinen leiblichen Vater habe ich erfahren, dass sie nach Wiesbaden gezogen war. Ich habe sie gefunden und wir haben uns ab und an gesehen.


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 22.01.2023 - 11:08